Die Hexen von Eastwick - Musical
Die Hexen von Eastwick - Musical
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Deutsche Erstaufführung des Musicals Die Hexen von Eastwick im Musiktheater im Revier Gelsenkirchen

Die dämonischen Desperate Housewives von Eastwick

John Updikes Roman The Witches of Eastwick (Die Hexen von Eastwick) von 1984 erzählt die Geschichte von drei magiebegabten Damen in den Wechseljahren. Die Bildhauerin Alexandra Spofford, die Musiklehrerin Jane Smart und die Lokalreporterin Sukie Rougement träumen in der langweiligen Kleinstadt Eastwick vom perfekten Ehemann und erkennen diesen im Kunstsammler Darryl van Horne, der in das Lenox-Herrenhaus einzieht. Alle drei fangen eine Beziehung mit dem attraktiven Künstler an, der aus Geldnot jedoch eine reiche junge Frau heiratet. Aus Eifersucht töten die Hexen die Rivalin mit einer Voodoo-Puppe, bereuen ihre Tat jedoch, beschwören drei Ehemänner für sich herauf und ziehen aus Eastwick fort, während das Lenox-Haus gepfändet wird.

Kinofilm mit Jack Nicholson und Michelle Pfeiffer

Aus der Romanvorlage entstand 1987 ein erfolgreicher Kinofilm von George Miller mit Jack Nicholson (Darryl), Cher (Alexandra), Michelle Pfeiffer (Sukie) und Susan Sarandon (Jane). In der Horrorkomödie verkörpert Jack Nicholson Darryl van Horne als personifizierten Teufel, der die drei Hexen gemäß ihren geheimsten Wünschen verführt und dazu bringt, die Eifersucht untereinander in sexuelle Ekstase zu viert zu verwandeln. Felicia Gabriel, die gläubige Ehefrau des Chefredakteurs der Zeitung für die Sukie arbeitet, hält es für ihre Pflicht, die Gemeinde von Eastwick über das orgastische Treiben in der Lenox-Villa zu unterrichten. Als sie die drei „Huren“ aus der Stadt jagen lassen will, stiftet van Horne seine Hexen an, sich an Felicia zu rächen, die nach einem Unfall bei einem weiteren Zwischenfall ums Leben kommt. Jetzt erkennen die drei Hexen, welcher Teufel da tatsächlich in ihr Leben getreten ist und sie verlassen van Horne, der vor Wut Sukie Schmerzen zufügt. Die Hexen vernichten van Horne mit seinen eigenen Waffen, einer Voodoo-Puppe. Doch das Böse soll weiter leben, denn alle drei Frauen tragen ein Kind van Horns unter ihrem Herzen.

Adaptierte Musical Version von Die Hexen von Eastwick

Drei Jahre nach der erfolgreichen Kinoversion adaptierten John Dempsey (Buch und Texte) und Dana P. Rowe (Musik) den Stoff für die Musical-Bühne, wobei sie weitere Modifikationen an der Filmvorlage vornahmen. Felicia ist Bürgermeisterin und Denkmal- und Naturschützerin, der die Nistplätze der Silberreiher auf dem Gelände des Lenoxhauses am Herz liegen und die Umgestaltung des altehrwürdigen Hauses vom neuen, mysteriösen Besitzer van Horne ein Dorn im Auge ist. Ihre Tochter Jennifer ist verliebt in Alexandras Sohn Michael, dem Liebespaar im Stück. Doch van Horne bringt seine ihm hörigen Hexen dazu, Felicia nicht nur ihre Hassreden auf den Teufel von Eastwick, sondern auch Kirschkerne und weitere unappetitliche Sachen auszuspucken. Felicias Ehegatte Clyde, der ein Verhältnis mit Hexe Sukie hatte, gehen ihre Reden schließlich so auf die Nerven, dass er Felicia erschlägt und sich selber erhängt. Dieses Ereignis lässt die Hexen umdenken und so verführt van Horne die elternlose Jennifer und führt sie vor den Traualtar. In letzter Minute gelingt es den Hexen, Teufel Darryl mit einer Voodoo-Puppe in die Hölle zurück zu befördern und Eastwick scheint vom Bösen erlöst zu sein.

Musical Produktionen nach London auch in Australien, Russland, Tschechien und USA

Nach der Premiere des Musicals am West End im Dury Lane Theatre Royal als britische Cameron Mackintosh Großproduktion am 18.07.2000 waren die Kritiker eher zurückhaltender Meinung, obwohl sie die Darsteller Maria Friedman (Sukie), Lucie Arnaz (Alexandra), Joanna Riding (Jane) und Ian McShane (Darryl) positiv hervorhoben. Am 23.03.2001 zog die Show in das kleinere Prince Of Wales Theatre um, wodurch auch Anpassungen an der Ausstattung der Megashow, in der die Hexen durch die Lüfte flogen, gemacht werden mussten. Nach 15 Monaten Spielzeit hatten die Hexen am 27.10.01 bereits in London ausgezaubert. Nach Produktionen in Australien, Russland und in Tschechien feierte das Musical The Witches of Eastwick vom 05.06. bis 15.07.2007 ein kurzes amerikanisches Gastspiel in Arlington Virginia, schaffte den Sprung an den Broadway jedoch nicht, obwohl man die Show für den amerikanischen Markt noch einmal drastisch umgeschrieben hatte und viele Musiknummern änderte und neu hinzufügte.

Deutsche Erstaufführung des Musicals Die Hexen von Eastwick in Gelsenkirchen

Das Musiktheater in Gelsenkirchen konnte sich die Rechte an der amerikanischen Version des Musicals erstmals für Deutschland sichern und so war man stolz, am 09.06.2012 die deutsche Erstaufführung von Die Hexen von Eastwick im MIR präsentieren zu dürfen. Roman Hinze übernahm die deutsche Übersetzung der Texte und konnte in Gelsenkirchen noch während der Probephase Anpassungen an den deutschen Songtexten machen, was dem Ergebnis am Premierenabend sicherlich zu Gute kam. Seine Texte sind pointiert, amüsant und ein teuflisches Vergnügen. Leider setzt die Partitur des Musicals von Dana P. Rowe nur wenige musikalische Höhepunkte, alles plätschert gefällig Genre-typisch daher, jedoch ohne einen echten Ohrwurm, den man nach der Show nicht mehr aus dem Kopf bekommt (mehr zur Musik der Original Londoner Inszenierung lesen Sie bei der CD-Kritik). Dabei gibt es durchaus schöne Ensemble-Nummern wie „Tanz mit dem Teufel“, bei dem Darryl dem nicht gerade heißblütigem Teenager Michael Nachhilfeunterricht in Sexualerziehung gibt, oder dem Song „Schmutz und Unrat“, bei dem die Bürger von Eastwick die dreckige Gerüchteküche-Wäsche auf die Leine hängen. Zudem harmonisieren die drei singenden Hexen Jeanette Claßen (Jane Smart), Stefanie Dietrich (Alexandra Spofford) und Anke Sieloff (Sukie Rougement) in ihren Terzetten perfekt und sind großartig aufeinander abgestimmt – nur leider sind die zugehörigen Songmelodien schnell wieder vergessen.

Schwächen beim Ton

Der Text und die Aussage erscheinen wichtiger als die musikalische Untermalung, die unter der Leitung von Jürgen Grimm streng nach amerikanischem Vorbild leider „nur“ mit 11 Musikern ohne Unterstützung des gesamten philharmonischen Orchesters des Hauses auskommen muss. Obwohl also nur eine kleinere Band den recht voluminösen Ton angab, gelang es am Premierenabend Sven Pfeffer (Sounddesign) leider nicht immer, die Schauspieler tontechnisch immer klar und verständlich über die Bühne zu bringen. Hier gibt es noch viel Potential nach oben, das auch ein Stadttheater, bei dem nur beim Musical eine ausgefeilte Tontechnik notwendig ist, leisten können muss.

Sterotype Figuren mit viel Persönlichkeit

Doch dies waren die einzigen Schwachpunkte des Premierenabends, denn das Musical Die Hexen von Eastwick weiß sehr wohl gut zu unterhalten! Regisseur Gil Mehmert (Musicals Sunset Boulevard in Bad Hersfeld, Ein Mann geht durch die Wand in Essen und Ganz oder gar nicht in Dortmund), der im Ensemble einige seiner Musical-Studenten der Folkwang Hochschule Essen gut untergebracht hat, zeichnet die Figuren der Handlung stereotypisch perfekt mit viel Persönlichkeit und sympathischen Zügen, so dass sich jeder Zuschauer mit irgendeiner Figur identifizieren kann.

Die Darsteller von Die Hexen von Eastwick in Gelsenkirchen

Da ist die verklemmte Musiklehrerin Jane Smart, gespielt von der wandlungsfähigen Jeanette Claßen (Cabaret in München, Silk Stockings und Sweet Charity in Nürnberg, Sekretärinnen in Dortmund), die sich schüchtern hinter ihrem Cello versteckt, in den Händen von van Horne aber zur erotischen Sexbombe wandelt. Oder die Journalistin Sukie Rougement, besetzt mit der hauseigenen Anke Sieloff (Silk Stockings, Kiss me Kate, The Life, Anything Goes und Crazy For You am MIR), die zwar poetisch schreiben kann, aber im Gespräch nur stotternde Satzfetzten produziert, bis van Horne sie zur wortgewandten Rednerin mutieren lässt. Und Alexandra Spoffort (Stefanie Dietrich, bekannt aus Anything Goes Kassel oder dem Operetten-Comedy-Duo Kommando Spartensprengung) als etwas füllige Bildhauerin, die beim Sex aus Scham vor ihren Pfunden die Kleider an lässt, bis van Horne ihr klar macht, dass jedes Gramm ihres Körpers liebenswert und attraktiv ist.

Kristian Vetter als diabolischer Darryl mit hautenger Jeans und erotischer Stimme

Der Retter der Menopause der männerlosen Desperate Housewives von Eastwick ist der diabolische Darryl van Horne, der Nicholson ebenbürtig hervorragend mit Kristian Vetter (Aida und Mamma Mia in Essen, Vom Geist der Weihnacht, Elisabeth, Legende einer Heiligen in Eisenach) besetzt ist. Vetter als erotisches Kraftpaket in hautenger schwarzer Jeans mit teuflischer Gürtelschnalle und glänzendem Rüschenhemd erstickt mit seiner samtweichen, knurrenden, tiefen Sexstimme jegliche Konventionen von Zucht und Ordnung im Keim – wer kann dazu schon Nein sagen? Er holt zusammen mit seinen drei Hexen aus den musikalisch unterentwickelten Songs das Beste heraus.

Gudrun Schade (Falco in Oberhausen, We Will Rock You) macht aus der Nebenrolle der Felicia Gabriel durch ihre herrische Präsenz der gottesfürchtigen Bürgermeisterin zusammen mit Partner Joachim G. Maaß (La Cage Aux Folles, Candide und Anatevka am MIR) eine Hauptrolle. Die Folkwang Studenten Anna Preckeler als Jennifer und Julian Culemann als Michael spielen noch etwas zurückhaltend, können ihre Trümpfe aber im zweiten Akt ausspielen. Kati Farkas Choreografie lässt die Hauptdarsteller neben den professionellen Tänzern des Balletts des Musiktheaters niemals als Fremdkörper stehen, sondern integriert sie gekonnt auch in kompliziertere Schrittfolgen, die zwar kein Broadway-Niveau erreichen, aber szenisch passend perfekt umgesetzt werden.

Comiczeichnungen von Fufu Frauenwahl als Filmanimation

Ein weiterer Star der Gelsenkirchener Produktion des Musicals Die Hexen von Eastwick ist die Projektion der Comiczeichnungen von Fufu Frauenwahl in der technischen Umsetzung von Gerrit Jurda. Die gezeichneten Hintergründe als Filmanimation von Nikki Schuster, Kyrill Abdrakhmanov und Fufu Frauenwahl ersetzten komplett die Kulissen, so dass sich die Ausstattung von Heike Meixner auf ein multifunktionales sechseckiges Holzpodest, das Whirlpool, Bar, Podest und Eingang zur Hölle dienen kann, eine große Treppe links auf der Bühne sowie zwei großen Bäumen (die jedoch keine besondere Rolle im Stück spielen und irgendwie nur einen nutzlosen Rahmen bilden). I-Tüpfelchen sind Klappstühle, Pappfelsen und gespannte Wäscheleinen, die bei offener Bühne intelligent von den Darstellern, insbesondere dem „kleinen Mädchen“ (Sandra Pangel), umarrangiert werden, ohne den Handlungsfluss zu stören. Die Filmprojektionen sind ein wahres Meisterwerk und es macht Spaß, den gemalten Animationen der vielen Spielorte übergangslos und auf den Punkt passend zur Musik zu folgen. So wird es möglich, dass Felicia Kirschkerne und Münzen in ihre Küche spuckt, bevor sie ihr Ehegatte mit dem Schürhaken, mit dem er vorher noch das virtuelle Kaminfeuer angefacht hat, spektakulär mit Blutspritzern an der Wand brutal ins Jenseits befördert.

Frei und schwerelos

Ein weiterer Clou ist das Finale des ersten Aktes, bei dem unsere drei Hexen von Eastwick völlig „frei und schwerelos“ das Fliegen lernen – ganz ohne plumpe Schnüre oder akrobatische Showeinlagen an schwingenden Gummibändern erheben sich die Damen majestätisch mit wallenden Gewändern in die Luft und bleiben doch mit beiden Beinen fest auf dem Bühnenboden stehen. Dass diese Technik nicht ganz unproblematisch ist, bemerkte das Premierenpublikum gleich während der Ouvertüre des Stückes als plötzlich Gil Mehmert mit winkenden Armen auf die Bühne kam und erklärte, dass der Film nicht wie gewünscht auf das Klickzeichen des Dirigenten gestartet sei. Man musste einen zweiten Anlauf wagen, doch dann klappte alles ohne weitere Pannen. So genial und einfach die Projektionen auch waren, das Licht (ebenfalls von Gerrit Jurda) war in vielen Szenen leider nicht atmosphärisch, sondern oftmals viel zu hell und zu gut ausgeleuchtet – rühmliche Ausnahmen bildeten hier die bereits erwähnte Flugszene, eine Szene, in der die Hexen in der verlassenen Villa nach van Horne suchen, bei der die Bühne nur durch den Holzboden von unten unheimlich illuminiert wurde und das „zur Hölle fahren“ von Darryl van Horne.

Als Fazit ist die deutsche Erstaufführung des Musicals Die Hexen aus Eastwick am Musiktheater im Revier Gelsenkirchen mehr als gelungen und bietet nach einigen Längen im ersten Akt doch fast drei Stunden lang gute Unterhaltung dank rollendeckender Besetzung und einer interessanten Inszenierung. Zudem ist es eine Wohltat, nach den immer wieder gezeigten Standards von Musicals wie Anatevka über Rocky Horror bis zur West Side Story endlich einmal wieder etwas komplett Neues auf einer deutschen Stadttheaterbühne erleben zu dürfen.  

© Text und Fotos Schlussapplaus, Premierenfeier: Stephan Drewianka, Musical-World.de; Szenenfotos: Pedro Malinowski 

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