Musical Bonifatius
Musical Bonifatius
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Theater

Technische Daten:

Original Besetzung Musical Bonifatius: Reinhard Brussmann, Arne Stephan, Leah Delos Santos, Frank Bahrenberg; Spielort: Schlosstheater Fulda; Musik/Texte: Dennis Martin; Welturaufführung: 3. Juni 2004; Spielzeit: 5. Juni bis 31. Juli 2004 und wieder ab Juni 2005

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Weltpremiere des Musicals Bonifatius in Fulda

Premiere Musical Bonifatius im Schlosstheater von Fulda

Im Bonifatius Jubiläumsjahr 2004, in dem sich der Todestag des Engländers Wynfried von Crediton, der von Papst Gregor II. im 8 .Jahrhundert auf den Namen Bonifatius geweiht wurde, zum 1250. Mal jährt, feierte die Stadt Fulda ihren charismatischen Mönch mit einem dreitägigen Festprogramm vom 4.-6. Juni. Doch nicht nur feierliches Glockenläuten, heilige Messen und unzählige Ausstellungen, sondern auch ein eigenes Musical gehörten zu den offiziellen Feierlichkeiten. Bonifatius – das Musical feierte bereits am Donnerstag zuvor, dem 3. Juni 2004 im Fuldaer Schlosstheater als kulturelles Jahrhundertprojekt seine Weltpremiere.

Anfänge der Stadtgeschichte von Fulda vor 1250 Jahren

Produzent Michael Weiß hatte mit der spotlight Musicalproduktion GmbH sicherlich einiges an missionarischer Aufklärungsarbeit zu leisten, bis sich der Vorhang zu diesem ungewöhnlich anderen Musical-Projekt nach mehr als zweijähriger Planung zum ersten mal heben konnte. Als inhaltliche Vorlage dienten, neben der Biografie des Bonifatius selbst, zahlreiche historische Quellen sowie Mythen und Sagen, welche von Autor Zeno Diegelmann zu einer spannenden Lebensgeschichte verflochten wurden, die zwar historische Fakten liefert, jedoch genügend Freiraum für die charakterliche Entwicklung der Hauptpersonen ließ. Und so erlebt der Zuschauer des Musicals Bonifatius in knapp 140 Minuten direkt am Originalschauplatz des Geschehens die Anfänge der Stadtgeschichte von Fulda vor 1250 Jahren.

Handlung des Musicals über den Missionar von Germanien

Im Jahre 722 wird Bonifatius mit seinem Schüler Sturmius von Papst Gregor nach Germanien geschickt, um den ansässigen Heiden den Glauben Christi zu verkünden. Der fränkische Hausmeier Karl Martell überschreibt dem Missionar ein verlassenes Königsgut in der chattischen Buchonia und gibt ihm seine beiden Söhne Karlmann und Pippin zum Geleitschutz. Doch das einzig intakte Gebäude des Königsgutes ist die von dem Geschwisterpaar Ludiger und Alrun geleitete Schänke. Alrun träumt von der großen, weiten Welt und verliebt sich gleich in den jungen Sturmius. Ihr Bruder Ludiger erzählt von den heidnischen Ritualen, zu denen der friesische Herzog Radbod Menschenopfer an der Eiche des Gottes Donar darbieten will. Bonifatius erlangt seinen ersten Sieg, indem er die heidnische Eiche fällt und damit die Überlegenheit des Christengottes demonstriert. Während er die ersten Heiden im christlichen Glauben in der Fulda tauft, klagt eine verzweifelte Mutter die christliche Kirche an, die sich am Volk bereichert und ihren Mann auf dem Gewissen hat. Bonifatius ist entsetzt, als er vom ausbeuterischen Verhalten von Bischof Gewilip von Mainz erfährt, der dort ein dekadentes Leben führt und mit Angst und Einschüchterung regiert. Bonifatius findet kein Gehör beim Bischof und schickt Sturmius mit zwei Depeschen zum Papst nach Rom.

Sowohl der Bitte um Absetzung von Gewilip als auch dem Gesuch, ein selbst verwaltendes Kloster gründen zu dürfen, wird von Papst Gregor II. entsprochen. Gewilip schwört nach Erhalt seiner Absetzungsurkunde Rache an Bonifatius, der an der Fulda bereits mit einer freudigen Feier den Klosterbau mit der Kreuzsetzung beginnt.  Gewilip verbündet sich mit dem Heidenherzog Radbold, um Bonifatius in eine tödliche Falle zu locken und so erhält der Missionar schon kurz darauf ein vermeintliches Schreiben des Papstes, das ihn zu einer Mission ins friesische Dokkum befiehlt. Nachdem Bonifatius mit Ludiger aufgebrochen ist, erhält Sturmius, der den Klosterbau zu Fulda weiter beaufsichtigt, ein echtes Schreiben vom Papst, in dem er Bonifatius bittet, vom Klosterbau zu berichten. Schnell wird Sturmius klar, dass nur ein Kirchenmann wie Gewilip das päpstliche Siegel hätte fälschen können. Sturmius macht sich auf den Weg, um Bonifatius zu warnen, doch für ihn und Ludiger kommt bereits jede Hilfe zu spät, denn obwohl Radbod die Gefahr des Märtyrertodes erkennt, muss er sich dem Druck seiner Gefolgsleute beugen und tötet den Missionar. Als Gewilip wegen Hochverrats verhaftet werden soll, begeht er verzweifelt Selbstmord. Bonifatius letzte Bitte, Sturmius möge sein Werk fortführen, beendet die aufkeimende Liebe zwischen Alrun und Sturmius endgültig. Nach dem Heldentod des Bonifatius werden dem Kloster Fulda unter Sturmius Leitung von Fürsten und Bischöfen Ländereien und Reichtümer geschenkt, die es zum einflussreichsten Kloster nördlich der Alpen machen...

Erzählt wird diese aufregende Geschichte um Liebe, Verrat und Religion im Musical vom Mönch Willibald, der die bedeutendste Biographie des Bonifatius verfasst hat und alle Handlungsfäden in der Hand hält. Artur Ortens hat sich extra für diese Rolle eine echte Tonsur schneiden lassen und spielt die Rolle des allwissenden Erzählers in Mönchstracht mit stoischem Gleichmut.

Reinhard Brussmann als Darsteller des Bonifatius

Der Held des Musicals ist natürlich Reinhard Brussmann als Bonifatius, dessen klassischer Tenor nicht erst seit Les Miserables (erster deutschsprachiger Valjean in Wien) dem Musicalfan ein Begriff ist. Und auch die Phillippinin Leah Delos Santos ist als Alrun mindestens genauso bezaubernd wie als Miss Saigon (Stuttgart) oder als Belle in Die Schöne und das Biest (Stuttgart).  Arne Stephan als Bonifatius Schüler Sturmius fällt im ersten Akt noch kaum auf, beweist aber spätestens während des SMS (sentimentales mittelalterliches Sonett) „Wenn Das Wirklich Liebe Ist“ im Duett mit Partnerin Leah Delos Santos, dass in ihm ein überdurchschnittliches Talent hervorbrechen kann, welches er bisher bei Engagements von Vom Geist der Weihnacht bis The Beautiful Game einbringen konnte.

Damit vor dem historischen Hintergrund die gute Laune nicht zu kurz kommt, sorgen Oliver Grice als Karlmann und Christian Burkhardt als Pippin für komödiantische Einlagen. Manuela Floryan als Lioba, der Cousine des Bonifatius und Ignazio Caporrimo als unerschütterlicher Ludiger schließen die Riege der Guten ab.

Stefan Poslovski (Alfred in Tanz der Vampire in Stuttgart) kann als Bischof Gewilip von Mainz nicht nur durch seine schrillen Töne Akzente setzten: Seine lasziven, sexuellen Ausschweifungen mit seinen Gespielinnen und Gespielen sorgen dafür, dass bei „Bonifatius – das Musical“ auch die weltlichen Belange nicht zu kurz kommen. Sein Verbündeter, der Friesenherzog Radbod, wird von Frank Bahrenberg (Der kleine Horrorladen, Düsseldorf; Vom Geist der Weihnacht, Oberhausen) mit unheilvollem Bass volltönend und für einen Heiden mit sehr viel Ehrgefühl gespielt. Aus dem Ensemble sticht Kerstin Frank (Bienenkönigin in Tabaluga & Lilli in Oberhausen) als Mutter hervor, die durch ihre Kritik an der christlichen Kirche mit ihrer beeindruckenden jazzigen Soulstimme einen Sonderapplaus des Publikums verdient hat.

Alle Darsteller singen, spielen und tanzen in dem abstrakten Bühnenbild von Bernd-Heinrich Sogel mit drei frei beweglichen, überdimensionalen Quadern, die im roten Licht von Sabine Wiesenbauer immer neue Räume schaffen und es komplett der Fantasie des Zuschauers überlassen,  die Eiche, die Bonifatius fällt, zu „sehen“ (ein Bild im Programmheft zeigt, dass dies zunächst mit angeklebten Ästen aus Pappe anders geplant war, doch es funktioniert auch ohne weitere Hilfsmittel). Ansonsten kommt Bonifatius mit sehr wenig Requisiten aus, wodurch die einfachen Mönchskostüme, die wilden Felle der Germanen, Alruns schlichte Kleider und die prunkvollen Gewänder am Hof des Papstes oder im Haus Martells von Claudia Kuhr so richtig zur Geltung kommen. Julia Poulet choreographierte die wilden Stammestänze der Heiden als effektvolles Ballett, das zwar qualitativ nicht an Musical-Großproduktionen heranreicht, jedoch seinen Zweck voll und ganz erfüllt.

Die Regie von Reinfried Schießler ist trotz einiger Längen am Hofe des Papstes sehr zielgerichtet und lässt auch ohne Vorkenntnisse das Leben des Bonifatius kurzweilig Revue passieren. Allein die Tatsache, dass mit Biegen und Brechen ein aktueller Bezug auf das 21. Jahrhundert in einer Rahmenhandlung hergestellt wurde, in der ein älterer Mann, der zunächst nichts von Religion wissen will, beim Rezitieren von Bibelversen von halbstarken Hooligans verprügelt wird, stößt eher unangenehm auf – warum nicht die spannende Geschichte komplett im Mittelalter belassen, ohne einen Seitenhieb zu geben, dass man auch in der jetzigen Zeit wegen seiner Religion zum Märtyrer werden kann?

Eindeutig auf der Haben-Seite von Bonifatius – das Musical ist sicherlich die Musik, die Dennis Martin (Musik & Liedtexte) und Peter Scholz (Musikproduktion) auf die Bühne gebracht haben. Obwohl im Vollplayback und somit von den grandiosen Darstellern nur halb Live durch ihren Gesang komplettiert, reiht sich eine rhythmisch-fetzige Rock-Komposition an die nächste große Ballade. Auch wenn alles Eigenkompositionen für das Musical Bonifatius sind, scheint für die Bonifatiushymne die Filmmusik von „1492“ von Vangelis Pate gestanden zu haben und auch die 5,5 Minuten-Ballade „Wenn Das Wirklich Liebe Ist“ könnte glatt der neue Top Ten-Hit von Xavier Naidoo sein.

Jeder Charakter erhält sein eigenes Leitmotiv, das in den einzelnen Stücken immer wieder auftaucht und doch zu völlig neuen Songs variiert werden kann. Und so reiht sich ein stimmiger Ohrwurm an den nächsten. Ob es das verträumte Lied voller Sehnsucht von Alrun „Wann Trägt Der Wind Mich Fort“ ist, die hämmernden „Heerscharen des Odin“, das romantische „Schön, Dich Wieder Zu Sehen“, das exzentrische „Bischof Gewilip von Mainz“, die Hymne von Bonifatius „Gib Mir Kraft“, die zum Mitklatschen einladende Ensemblenummer „Salz der Erde“ oder das fantastische „Ein Mann, Ein Wort“ ist - viele Songs garantieren durch einfallsreiche Tempi-Wechsel oder harmonischen Gesang eine Gänsehaut beim Zuhörer. Produzent Michael Weiß war zu recht bereits im Vorfeld so überzeugt von der hohen Qualität dieser 16 Hauptsongs, dass bereits zur Premiere eine 65 minütige CD-Einspielung erhältlich war.

Das Konzept der 100% privatwirtschaftlich finanzierten Sponsorenpatenschaften des Musicals Bonifatius ist aufgegangen. Alle 22.000 Karten der insgesamt 31 geplanten Aufführungen sind bereits vollständig durch eine durchdachte, lokale Werbekampagne inklusive hervorragendem Internetauftritt mit Hörproben und zahlreichen Fotogalerien unter www.bonifatius-musical.de ausverkauft. Alle Zusatzvorstellungen nach dem 31. Juli 2004 waren ebenfalls innerhalb eines Tages vergriffen.

Zur Zeit wird mit der Stadt Fulda diskutiert, in welchem Rahmen der Überraschungshit im Jahre 2005 wieder aufgeführt werden kann. Denn auch wer nicht direkt aus Fulda und Umgebung stammt, kann mit dem Musical Bonifatius einen unterhaltsamen Abend verbringen,  der deutlich höheres Niveau aufweist als so manche Stadttheateraufführung.

© by Stephan Drewianka, Musical-World.de; © Fotos: Dominik Ketz Fotodesign; Dieser Artikel erschien komplett auch in der August/September-Ausgabe der Zeitschrift Blickpunkt Musical.

Alles zum Musical Bonifatius bei Sound Of Music!

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