Musical AIDA Backstage © Stephan Drewianka
Musical AIDA Backstage © Stephan Drewianka
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Lesen Sie auch unsere Berichte über die Aida Musicals im Colosseum Theater Essen (2003-2005), in Scheveningen/NL (2001) und auf der Freilichtbühne Tecklenburg (2009)!


Backstage hinter den Kulissen des Musicals Aida im Colosseum Theater Essen


Geschichte und Handlung des Musicals Aida

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Backstage beim Musical Aida in Essen

Musical Aida Backstage: Hightech in Ägypten

Die Tage der nubischen Prinzessin Aida im Colosseum Theater in Essen sind gezählt, denn in den Katakomben des Theaters lauert mit Andrew Lloyd Webbers Phantom der Oper bereits die Nachfolgeproduktion. Am 22. Juli 2005 fällt für das Musical AIDA nach 22 Monaten und 673 Vorstellungen der letzte Vorhang – bis dahin werden rund 850.000 Besucher die romantische Liebesgeschichte zwischen der nubischen Sklavin Aida und dem ägyptischen Heerführer Radames gesehen haben. Weitere Spielorte für das Musical AIDA sind zur Zeit in Planung und werden von der Stage Holding zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben.

Blick hinter die Kulissen im Colosseum Theater Essen

Musical-World durfte einen Blick hinter die Kulissen des in Amerika im Jahr 2000 mit vier Tony Awards (beste Musik und Texte, bestes Bühnenbild, bestes Lichtdesign und beste Hauptdarstellerin) ausgezeichneten Musicals Aida von Sir Elton John (Musik) und Sir Tim Rice (Texte) werfen, das seit dem 5. Oktober 2003 auch in Deutschland den Nil an die Ruhr zaubert. Während am Broadway im Palace Theatre New York sehr wenig Platz für die aufwendige Produktion zur Verfügung stand und sogar ein Teil des Theater-Saales als Garderobe für die Schauspieler umgebaut werden musste, steht in Essen in der unter Denkmalschutz stehenden ehemaligen Krupphalle, dem Colosseum, mit den zwei ausladenden Seitenbühnen genügend Raum zur Verfügung.

Kulissen hinter der Bühne mit Bastboot und Grabkammer

So sieht es hinter der 8 x 19 Meter großen Hauptbühne 160 Minuten vor Vorstellungsbeginn recht übersichtlich aus. Auf den ersten Blick fallen nur wenige ausladende Kulissen ins Auge. Neben einer senkrecht gelagerten Schiffsgangway und mehreren Trennwänden sowie einem kompletten Bootsanlegesteg mit Bastboot, das überraschenderweise mit Elektromotor ausgestattet ist und von dem Schauspieler gelenkt werden muss und deshalb so gar nicht ins Jahr 1500 v. Chr. passt, sind die Museums -Ausstellungsstücke der Rahmenhandlung die auffälligsten Requisiten der Show. Ein Glanzstück ist natürlich die Grabkammer, in der Aida und Radames für ihre verbotene Liebe bestraft werden. Mit schrägem Boden, der für den nötigen Tiefeneffekt sorgt und von den Schauspielern nur unbequem bespielt werden kann und einer raffinierten, internen Ausleuchtung hatten die Entwickler des Musicals eine Menge Know-How in dieses technische Wunderwerk gesteckt, um einen finalen Spezialeffekt glaubwürdig dem Publikum vermitteln zu können.

Prunkvoller, ägyptischer Thron und Laufsteg für Modenschau

Weiterhin gibt es den ägyptischen prunkvollen Thron, der immer wieder mit Goldfolie zum strahlenden Erscheinungsbild aufpoliert wird und von vier Sklaven auf die Bühne getragen wird. Eine eher unscheinbare flache Konstruktion kann als Laufsteg für die quirlige Modenschau von Prinzessin Amneris und später als Banketttisch für Radames Verlobungsfeier dienen. All diese großen Requisiten werden per Muskelkraft in Führungsschienen über sieben Antriebswinden im Unterboden auf die Hauptbühne von helfenden Händen geschoben. Der Rest der Kulissen für die 48 Szenenbilder senkt sich komplett aus dem Schnürboden von der Decke des Theaters herunter: Hier sind in 42 Zügen direkt hintereinander eine Dekoration nach der anderen untergebracht, ob komplettes Kriegsschiff, Basar, königlicher Palast, Wellness-Schwimmbad, Sternenhimmel oder Sklavenlager.

Lichtechnik beim Musical Aida

Begrenzt wird die Bühne beidseitig durch je vier drehbare Trennwände in weiß und rot, zwischen denen sich komplett hochfahrende Lichttürme befinden, die zusammen mit den insgesamt 800 Scheinwerfern an der Decke, den 78 Movinglights und 215 Farbwechslern den künstlerischen Kern der Produktion darstellen. Denn das stimmungsvolle Licht, das die Bühne mal in knallrot, warmes Ocker oder kaltes Blau taucht, ist ein heimlicher Hauptdarsteller beim Musical AIDA. Diese komplette Technik wird vor jeder Vorstellung kurz getestet, jedes noch so kleine Flackerlicht in einer Lampe wird genauso überprüft wie alle großen Scheinwerfer oder das geräuschlose Herabsenken der Kulissen.

An den Wänden des Theaters stehen Regale mit über 300 kleinen Requisiten. Von Aidas Sklavenfesseln über original in Afrika gefertigte Bastkörbe bis hin zu Geldsäcken und Briefen liegt hier alles akribisch genau beschriftet an genau den Plätzen, von denen das jeweilige Stück während der Aufführung optimal erreicht werden kann. Dafür gibt es eine spezielle Backstage Choreographie für Darsteller, Bühnencrew und Dresser, damit sie sich in der abgedunkelten Hinterbühne nicht gegenseitig über den Haufen rennen.

Kostüme, Kleider und Perücken der Darsteller im Musical Aida

100 Minuten vor Vorstellungsbeginn beginnen auch die Dresser mit dem Bereitlegen der Kostüme für die Darsteller. Hauptdarstellerin Aida steht praktisch in beinahe jeder Szene auf der Bühne, deshalb hat sie nur vier Kostümwechsel während der gesamten Show. Ganz anders sieht es für Prinzessin Amneris aus: Ihr exquisiter »Sinn für Stil« verlangt 13 Kostüm- und sechs komplette Make-up und Perückenwechsel, für die teilweise nur 30 Sekunden Zeit hinter der Bühne zur Verfügung stehen. Ähnlich stressig ist das Leben der acht weiblichen und männlichen Ensemblemitglieder, die in schnellem Wechsel mal moderner Museumsbesucher, ägyptischer Krieger, Sklave oder Leibgardist bzw. Bauchtänzerin, Badenixe, Laufstegmodell, Zofe oder adlige Hochzeitsgesellschaft verkörpern. In den Umkleidekabinen der Darsteller direkt hinter der Hauptbühne, die im Fachjargon ›Black Boxes‹ genannt werden, da sie während der Vorstellung fast in völliger Dunkelheit liegen, um das Bühnengeschehen nicht zu stören, richten neun Dresser die Kostüme für jeden Darsteller als scheinbar ungeordneten Kleiderberg auf einem Stuhl ein, der während der Show dann einfach von oben nach unten abgearbeitet wird. Abgelegte Kostüme werden in bereitgestellte Wäschekörbe geschmissen. Damit den Darstellern beim Kostümwechsel nicht zu kalt wird, sorgen mehrere Rotlichtlampen auch in den kälteren Monaten für ein heißes Wüstenklima hinter den Kulissen.

Jeder Darsteller erhält maßgeschneiderte Kostüme. Die insgesamt 340 Kostüme sind als wichtiges optisches Element wertvolle Unikate, die in Amerika unter der strengen Aufsicht des Disneykonzerns genäht und danach in einem aufwendigen Prozess graduell eingefärbt werden. Da einfache Baumwolle selbst bei den ärmlichsten Sklavengewändern im Bühnenlicht einfach nur langweilig aussieht, wurden ca. 3000 Meter edler Naturstoffe wie Seide verarbeitet – kein Kostüm ist einfach nur weiß, jeder Stoff weist ein interessantes Webmuster oder eine Struktur auf, damit es im Scheinwerferlicht glitzert und prachtvoll glänzt. Dabei werden selbst die luftigen Hüllen der Bauchtänzerinnen durch detailreich gearbeitete Metallapplikationen zu echten Schwergewichten, ganz zu Schweigen von den Uniformen der ägyptischen Soldaten, deren schwere rote Lederplatten nicht mehr mit einer Nähmaschine, sondern nur von einem Schuster bearbeitet werden können.

Garderoben der Hauptdarsteller

Die Hauptdarsteller der Produktion ziehen sich, wenn es die Zeit zulässt, in eigenen Garderoben um, die räumlich im Hintergebäude des Theaters untergebracht sind. Hier befindet sich auch der Raum der Maskenbildner, in dem 90 Minuten vor Vorstellungsbeginn die benötigten Echthaarperücken frisiert werden. Allein für die Rolle der Amneris werden sechs Perücken und Haarteile benötigt. Für jede Darstellerin der Amneris wird ein kompletter Satz Perücken in der individuellen Farbnuance hergestellt, die von den Verantwortlichen des Disneykonzerns als optimal zur Hautfarbe der Darstellerin passend ausgewählt werden. So darf es bei der Erstbesetzung der Amneris, die seit Beginn der Show von Maricel verkörpert wird, passend zu ihrer hellen Alabasterhaut ein echtes Platinblond sein, Anke Fiedler spielt mit dunkleren Strähnchen, während der dunklere Teint von Dominique Aref einen dunkelblond-braunen Perückensatz erfordert. Und das europäische Echthaar der über 80 Perücken muss besonders gut gepflegt werden: waschen, Spülung, Packung und anschließendes Frisieren gehört zum täglichen Brot der zwölf Masken-Mitarbeiter. Auch hier hat es die Aida-Darstellerin aufgrund ihrer Rolle als Sklavin einfacher als ihre modebewusste Konkurrentin Amneris: Für Deutschland sucht den Superstar-Teilnehmerin Judith Lefeber werden nur einige zusätzliche Zöpfe in das eigene Haar eingeflochten, dann ist die Sklavin für einen kompletten Akt bereits bestens gerüstet.

Tontechnik im Musical Aida

Ebenfalls direkt hinter der Hauptbühne befindet sich der Radioraum mit der Tontechnik. Eine Stunde vor Beginn der Show werden hier alle Empfänger mit frischen Akkus versorgt, denn während das Orchester ganz seriös verkabelt ist, singt jeder Darsteller in ein kleines Monomikrofon, das meist in der Perücke versteckt wird, während der Sender mit einem elastischen Gurt am Körper unter dem Kostüm getragen wird. Die kleinen Mikros können während der Vorstellung schon mal verschwitzt werden, was den Ton wie in Watte verpackt erklingen lässt. Dann muss der Tonmeister hinter der Bühne das Mikro frei pusten. Damit dies bei den Hauptpersonen Aida und Radames nicht passiert, bekommen diese beiden Rollen als einzige zwei Mikrophone. Doch auch hier wird nur ein Monosignal empfangen – jedes Musical wird zur Vermeidung von Interferenzen komplett in Mono übertragen. Die Signale der 160 Sender werden über das Radio- und Empfängerreck koordiniert und von dort zur Mischung in nur 10 Kanälen an den Tontechniker im hinteren Bereich des Zuschauerraumes geschickt, der dann für die endgültige räumliche Mischung mit einigen wenigen gerichteten Stereoeffekten während der Vorstellung verantwortlich ist. Gesendet wird mit extra genehmigten VHF-Frequenzen, die sonst nur für Polizei und Taxis genutzt werden. Würde im Theater ein Handy benutzt, wäre der typische Einwählton im Mikrowellenbereich als unangenehmes Knacken in den Lautsprechern zu hören, weshalb das Telefonieren während der Vorstellung im Zuschauerraum und hinter der Bühne streng untersagt ist. Neben dem Radioraum befindet sich eine kleine Kammer, die so genannte ›Booth‹, in der bis zu fünf Extrasänger während der Show ›hinter der Bühne‹ den Chor verstärken, damit die Ensemblenummern noch imposanter für den Zuschauer erklingen.

Countdown zur Show des Musicals Aida

Spätestens 60 Minuten vor der Show müssen auch alle 25 Darsteller und das komplette Orchester im Theater eingetroffen sein, was in der Sign-In Liste am Bühneneingang mit der Unterschrift bestätigt werden muss. Sollte ein Darsteller bis jetzt nicht im Hause sein, wird per Telefon geklärt, ob nicht kurzfristig jemand einspringen muss. Ab jetzt dürfen bis zum Ende des Musicals auch nicht mehr die Fahrstühle benutzt werden, da hier im Fall der Fälle auch einmal ein Hauptdarsteller feststecken könnte.

50 Minuten vor Vorstellungsbeginn gibt es für die Darsteller noch in Zivilkleidung einen ›Fight Call‹: unter Aufsicht des Fight Captains werden mit der aktuellen Cast kurz alle Kampfszenen zweimal in Zeitlupe und einmal in Echtzeit durchgespielt. Denn während der Geiselnahme eines Kriegers durch die in Ketten gelegte Aida und bei der Flucht aus Ägypten wird mit Schwertern aus massivem Edelstahl gekämpft, die die Darsteller auch ohne scharfe Klingen ernstlich verletzen könnten.

Erst 45 Minuten vor der Show treffen sich die Hauptdarsteller zum Schminken in der Maske. Hier erhält Amneris das erste ihrer sechs Make-ups in goldenen Erdtönen. Der Make-up Wechsel während der Show muss schnell vonstatten gehen, doch obwohl das Schminken durch die netten Maskenbildner eigentlich viel Spaß macht, sei laut Maricel das häufige Abschminken mit Babyöl für die Haut eine Katastrophe. Auch die Herren der Schöpfung sind Gast in der Maske. Hier erhält Radames sein Tatoo des ägyptischen Auge des Horus, dem Zeichen für die Überwindung des Todes und die Wiedergeburt alles Untergegangenem und gleichzeitig auch das Logo des Musicals, mit Alkohol auf den rechten Oberarm ›eingebrannt‹ und Zoser sein Kinnbärtchen mit Flüssigkleber angeklebt. Mit Hilfe der Maskenbildner bekommt auch Aida ihr Doppelmikrophon in die Frisur eingeflochten.

Während 30 Minuten vor dem Heben des Vorhangs bereits die Besucher das Foyer des Theaters betreten, stimmen die Musiker ihre Instrumente, legen die Darsteller ihre Kostüme an und singen sich in den Gängen ein: das tragische Spektakel um die verbotene Liebe am Nil kann wieder einmal beginnen…

© Text & Fotos by Stephan Drewianka; diesen Backstage-Bericht finden Sie ebenfalls gedruckt in der Musicalfachzeitschrift BLICKPUNKT MUSICAL Ausgabe 03/05 März/April 2005!

Lesen Sie das große Interview mit Hauptdarstellerin Florence Kasumba!

Alles zum Thema Aida bei Sound Of Music.