Musical Anything Goes
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Anke Sieloff: Operndiva als leichtes Mädel

Musical-Darstellerin Anke Sieloff im Interview

Seit der Spielzeit 1993/94 ist Mezzosopranistin Anke Sieloff fest am Musiktheater im Revier engagiert und erfreut sich dort sowohl im Opern- als auch dem Musicalfach ständig wachsender Beliebtheit. Sieloff hat an der Stuttgarter Musikhochschule Gesang studiert und zahlreiche Musikwettbewerbe erfolgreich gewonnen. Am MIR war sie in den letzten Jahren als Maria (»West Side Story«), Evita, Kate (»Kiss Me Kate«), Polly (»Crazy For You«), Reno (»Anything Goes«), Julie (»Show Boat«) und ganz aktuell als Queen in »The Life« zu sehen. Musical-World traf Anke Sieloff direkt im Anschluss an die Premiere von »The Life« und befragte sie zum kleinen Unterschied zwischen einer Opern-Kurtisane und einer Musical-Nutte.

Musical-World: Ist bei »The Life« das Leben auf den Punkt gebracht, so wie man sich das Prostituiertenleben vorstellt?

Anke Sieloff: Natürlich wurden im Sinne eines Musicals oder einer Bühnenshow sehr viele Dinge stilisiert und zur guten Show-Nummer ausgebaut. Ich denke, im Ansatz wird man sich das Leben einer Prostituierten schon so vorstellen, aber ich weiß nicht, ob das eine Professionelle jetzt unbedingt unterschreiben würde. Wir haben uns tatsächlich näher mit diesem Milieu beschäftigt, Filme gesehen und Dinge gelesen, die mit  der Prostitution oder dem Rotlichtmilieu generell zu tun haben. Ich hatte vorher ein ziemlich ähnliches Bild, dass das eine harte und brutale Welt sein kann oder wahrscheinlich sogar immer ist. Nach den Proben oder der Show waren alle Beteiligten sehr ausgepowert, einfach auch durch diese physische Anstrengung und Brutalität, die wir natürlich auch auf der Bühne choreographieren mussten. Aber wenn man sich nur eine Sekunde ausmalt, dass das das reale Leben wäre, ist das eigentlich kaum vorstellbar. 

Musical-World: Ist The Life jetzt typisch amerikanisch oder ist das vergleichbar auf der ganzen Welt?
 
Anke Sieloff: Ich kann mir nicht vorstellen, dass es da nationale Unterschiede gibt. Das könnte auch hier bei uns am Bahnhof so sein. Natürlich ist die Musik sehr amerikanisch. Aber vom Thema her ist es international.

Musical-World: Im Musical »Die 3 Musketiere« heißt es in einem Lied: ›Männer sehen in Frauen nur die Hure oder Heilige – es gibt nichts drumherum.‹“ Haben Sie das Gefühl, das gilt auch für »The Life?

Anke Sieloff: Wenn ich mich an die Dialoge erinnere, dann wird ziemlich oft genau darauf angespielt. Es gibt ziemlich harte Sätze wie: ›Es ist heute wenig los auf dem Strich!‹ und wo sofort jemand antwortet: ›Na ja, dann ist heute der Tag, wo die Ehefrauen eben ihre Beine breit machen.‹ Das heißt, dort wird ganz klar nur unterschieden zwischen Heiliger und Hure. In jeder Frau oder jedem Menschen stecken sehr viele Facetten und dieses Globalisieren in eine Richtung sagt mir persönlich nicht zu.

Musical-World: Sie sind hier am Theater fest angestellt. Haben Sie es dadurch etwas einfacher gegenüber einem Casting für große Produktionen?

Anke Sieloff: Das kann man von zwei Seiten sehen. Ich weiß mit Sicherheit, dass sich ganz viele Sängerinnen um die Rolle der Queen geschlagen hätten. Ich bin sicherlich nicht der Prototyp der Queen, allein was meine Hautfarbe und alles andere betrifft. Einerseits habe ich es natürlich leichter, für diese Rolle besetzt zu werden, ohne ein Casting in diesem Fall gemacht zu haben. Andererseits ist es für mich schwerer als untypischer Charakter diese Partie ausfüllen zu müssen. Das war für mich in den ersten Wochen ein vorsichtiges Herantasten. Ich bin mit dem Intendanten lange Zeit so verblieben, dass wir sagten, lass uns das mit dem Team, dem Regisseur und der Choreographin zusammen ausprobieren, ob meine Darstellung stimmig ist und ob man das verkaufen kann. Ganz abgesehen von der Leistung muss auch der Typ für die Rolle stimmig sein und auf der Bühne schon alleine durch die Erscheinung etwas darstellen. Nicht jeder hat zweieinhalb Stunden Zeit, seine Rolle oder seinen Charakter zu erklären, im Prinzip muss vieles schon gegeben sein. Das war bei mir überhaupt nicht der Fall, d.h. ich musste mich da ziemlich reinfühlen.
Dank meiner hervorragenden Kollegen, die mich in jeglicher Hinsicht unterstützt haben und es auch für möglich gehalten haben, dass Queen von einer Weißen gesungen werden kann, habe ich die Herausforderung angenommen. Ich kann es im Nachhinein gar nicht mehr beurteilen, ob es leichter oder schwerer war. Ich habe mir von meinen schwarzen Kollegen sagen lassen, dass es in Amerika kaum vorstellbar ist, dass ein schwarzer Zuhälter tatsächlich eine weiße Nutte hat. Das sind Dinge, die entziehen sich meiner Kenntnis. Es gibt im Stück deutliche Hinweise, dass Queen eine Farbige ist, allein von der Situation heraus oder auch dass sie ›Daddy‹ zu ihren Mann sagt. Aber ich habe mir gesagt, ich komme aus dem Schwabenland, das ist vom Ruhrgebiet aus gesehen auch ein Südstaat, also so falsch ist meine Besetzung nicht.

Musical-World: Diese Rolle erfordert einen starken Körpereinsatz. Spielen Sie nicht lieber in einem leichten Gershwin-Musical?

Anke Sieloff: Ich habe vor zwei Jahren in der Oper Rosmonda d'Inghilterra von Donizetti die Königin Eleonora gespielt, die eine eifersüchtige Furie war. Da gab es Messerstechereien auf der Bühne, die diesem Körpereinsatz nahe kamen. Nur in der Oper sind das andere physische Voraussetzungen. Man kann sich in vieles hineindenken, man kann vieles inhaltlich, schauspielerisch und tänzerisch studieren, man wird aber immer äußerlich ein bestimmter Typ sein und meiner tendiert schon eher in die leichtere Muse wie einem swingenden Gershwin. Ich habe lange mit verschiedenen Formationen Jazz gesungen. Das passte jetzt hier sehr gut. Aber diese klare Linie in Richtung Soul oder Gospel ist nicht wirklich das, was man sofort mit mir in Verbindung bringt. Da kann man sich eine absolut schwärzere Stimme besser vorstellen, als die meine oder auch einen anderen Typ von Frau. Wenn ich ehrlich bin, fällt mir eine Swinggeschichte bestimmt leichter zu verkörpern, weil mich mein Äußeres da mehr unterstützt als in diesem Fall.

Musical-World: Sehen Sie sich als Cross-Over Künstlerin? Sie haben eine Solo-CD „The Singer“ herausgebracht wo Oper und Musical gemischt zu hören sind. Hat man da nicht Angst, dass man sich bei der einen oder anderen Rolle die Stimme ruiniert?

Anke Sieloff: Das kann schon sein. Aber das kann sowohl auf der einen als auch auf der anderen Seite sein. Ich kenne mindestens genau so viele ruinierte Opernsänger wie ruinierte Musicalsänger, insofern würde ich das nicht vom Genre abhängig machen. Was tatsächlich auf Dauer eine Schwierigkeit darstellt, ist das Wechseln, also das Springen zwischen »The Life« an einem Abend und einer Oper am nächsten Abend. Da sind wir einfach den muskulären Gegebenheiten unterworfen. Das ist wie bei einem Sportler, der an einem Tag Sprint trainiert und am anderen Tag für den Marathon. Das kann er mental und von der Einstellung her sehr gut trainieren aber die Muskeln fragen irgendwann, was du eigentlich willst.
Der Stimmapparat ist genau so zu trainieren wie jeder andere Muskel im Körper auch. Gerne hätte ich zwischen zwei verschiedenen Vorstellungen drei Tage Pause, was im Festarrangement nicht zu machen ist. Ich weiß sehr wohl, dass ich mich da hin und wieder auf Kompromisse einlassen muss. Man hat zumindest suggestiv ein anderes Körpergefühl, als wenn man sich wirklich auf eine klassische Partie oder eine Musical-Partie allein einstellen kann.

Musical-World: Hätten Sie auch Spaß daran, wie ihre jetzige Kollegin Florence Kasumba in »Aida«, ein Jahr lang eine nur eine Rolle zu spielen?

Anke Sieloff: Ich glaube nicht. Ich habe ganz am Anfang, bevor ich nach Gelsenkirchen kam, aus reiner Neugierde bei einem Vorsingen für »Das Phantom der Oper« mitgemacht und die Madame Giry vorgesungen, habe dann aber dieses Arrangement hier bekommen. Ich mag die Abwechselung auf jeden Fall und ich weiß auch wie es z.B. bei Musicals wie »West Side Story« oder »Rocky Horror Show« war, die wir auch schon mal 3-4 Tage hintereinander gemacht haben, da wusste ich am dritten Tag nicht mehr, habe ich das jetzt schon gesungen oder kommt das Lied erst noch. Gut, ich denke, das sind Sachen, an die man sich gewöhnen kann, das sagen auch meine Kollegen, die diese Erfahrung gemacht haben. In der Beziehung muss ich sagen, bin ich doch sehr glücklich, so wie es ist. Mit allen Schwierigkeiten, die damit verbunden sind aber auch die Vorteile der Vielfalt hier erleben zu können, die schätze ich schon sehr.

Musical-World: Jetzt spielen Sie auch wieder mit Gaines Hall zusammen. Ist es schön, wenn die Familie wieder zusammen kommt für einzelne Projekte?

Anke Sieloff: Das ist wunderbar. Theater ist ja eine einzige große Familie, aber manchmal ist es wirklich mehr. Und die Zusammenarbeit mit Gaines in »Crazy For You« war etwas ganz spezielles. Wir verstehen uns wunderbar, künstlerisch und menschlich. Ich schätze ihn sehr. Das ist schon was Besonderes, wenn man wieder zusammen arbeiten kann, in so verschiedenen Partien. Wir sind ja diesmal alles andere als ein Liebespaar und er ist alles andere als eine Kopie von Fred Astaire und insofern kann man sich jedes Mal wieder ein Stück weit gegenseitig neu entdecken. Das ist schon sehr spannend und da haben wir uns beide sehr gefreut.

Musical-World: Was singt Anke Sieloff zu Hause bei der Hausarbeit oder unter der Dusche?

Anke Sieloff: Meist ist man mit den Gedanken schon beim Probentag. Ich bin ein ganz großer Barbra-Streisand-Fan und habe so ziemlich alles an Platten und CDs, was es von ihr gibt. Also diese etwas gefühlsbetonte, fast schmalzige Richtung: unter einer warmen Dusche singt sich das sehr, sehr schön.

Musical-World: Gibt es eine Wunschrolle, die Sie gerne spielen möchten?

Anke Sieloff: Es gibt in der Oper sehr viele Partien. »Carmen« wäre ein Grenzbereich für mich. Ich bin hoher Mezzosopran, gehe in Richtung Koloratur und das würde gerade noch in mein Fach reinpassen. Das ging bis jetzt immer an mir vorbei. Das wäre für meinen Stimmbereich sehr reizvoll und eine ähnliche Herausforderung wie  »The Life«. Im Musicalbereich habe ich durch Gaines Hall neue Stück wie »Sweeney Todd« oder »Sweet Charity« entdeckt, die für mich interessant wären. Die klassischen Stücke habe ich schon machen dürfen wie »Kiss Me, Kate« oder »West Side Story« - das ist natürlich auch einfacher mit meiner klassischen Stimmgebung.
Ich erinnere mich, dass ich in meiner Schulzeit mit einem Freund überlegt habe, selber ein Musical zu schreiben. Heute muss ich ehrlich sagen, wenn man seit ca. 11 Jahre am Theater ist, weiß man genau, warum bestimmte Dinge verschiedene Leute machen. Insofern wäre ich für ein eigenes Musical bestimmt nicht geeignet. Aber damals beim Tod von Lady Diana, dachte ich, das wird garantiert bald als Musical erscheinen.

Musical-World: Haben Sie Spaß an Soloabenden?

Anke Sieloff: Ja sehr. Ich habe das eigentlich schon während des Studiums immer gemacht und später hier im Musiktheater im kleinen Haus. Man kann wirklich die Stücke auswählen, die einem am Herzen liegen, man kann den Aufbau für den Abend selbst gestalten und man kann viel von sich selbst preisgeben denn man spielt sich „selber“ – keine Rolle in dem Fall, sondern wirklich seinen eigenen Charakter.

Musical-World: Gibt es noch ein anderes Genre, das sie auch reizt?

Anke Sieloff: Country wäre ein reizvoller Punkt, wobei ich realistisch sagen muss, meine Stimme gibt das nicht her, was ich da einfach hören möchte. Was mich an Country so reizt sind die zum Teil musikalisch sehr einfachen Strukturen, die häufig auch instrumental schlicht besetzt sind. Ich liebe auch Kammermusik in der kleinen Besetzung, weil das eine ganz andere Ausdrucksweise ist, es ist nicht nur leiser, sondern auch in vielen Fällen intensiver. Natürlich ist es auf einer großen Bühne immer ein großer Akt, sowohl in der Oper als auch im Musical die Intensität über den Graben zu bringen. Da hilft auch kein Mikrophon, sondern du bist derjenige, der diese Intensität transportiert. Und das ist einfach anders bei kleinen Besetzungen, die Schwerpunkte sind anders gelagert. Ich kenne viele Kollegen aus der Oper, die zwischendurch Liederabende oder Kammermusik brauchen. Auch moderne Sänger mögen irgendeine kleine Triobesetzung oder sogar nur einen Duoabend mit Klavier.

Musical-World: Hätten Sie auch Spaß an »Mamma Mia« oder »We Will Rock You«?

Anke Sieloff: »Mamma Mia« sofort aber »We Will Rock You« glaube ich nicht – da sehe ich mich überhaupt nicht. Mit ABBA bin ich aufgewachsen. ABBA ist Schuld daran, dass ich singe. Ich bin der größte ABBA-Fan und kenne jedes Lied. Diese Show sofort, das kann ich mir sehr gut vorstellen. Diese Stimme, der Typ, da würde ich gewiss reinpassen.

Musical-World: Wie finden Sie das Mixen von deutschen und englischen Texten, wie es in »The Life« passiert?

Anke Sieloff: Die amerikanischen Kollegen haben darauf hingewiesen, dass sie das Gefühl haben, dass bestimmte Dinge in dem Sprechgesang beim deutschen Publikum schneller ankommen, wenn es deutsch gesungen wird und eine schnellere Reaktion hervorruft, als wenn man es in englisch macht. Für mich hat die Musik Vorrang. Und die Musik in »The Life« hat für mich eine amerikanische Ausstrahlung. Mir persönlich fällt es sehr, sehr schwer eine deutsche Sprache in diesen Blues-Rhythmus rein zu bringen. Bei »The Life« würde ich es vorziehen, die Songs alle in englisch zu machen und die Dialoge natürlich in deutsch.

Musical-World: Welches Musical können wir demnächst im MIR erwarten?

Anke Sieloff: Eigentlich war Gershwins »Strike Up The Band« als zweites Musical in dieser Spielzeit am Musiktheater vorgesehen, doch diese Produktion kann aus rechtlichen Gründen noch nicht im kommenden April gezeigt werden. Dafür kommt zunächst die Operette »Die Großherzogin von Gerolstein«, in der ich diese Großherzogin spiele. Aber in der nächsten Spielzeit ist »Strike Up The Band« ab Herbst 2006 bestimmt dabei.

© Interview & Fotos by Stephan Drewianka, Musical-World.de

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