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Andreas Bieber zwischen Schauspiel und Gesang

Interview mit dem Musical-Darsteller Andreas Bieber

Im Rahmen der Konzertreihe Musicalstars in Concert von Sound Of Music feierte am 25. Februar 2007 das erste Solokonzert No Frontiers von Andreas Bieber Premiere. Wir befragten den Musical-Darsteller und ewigen Sunnyboy, der sich auf deutschen Musicalbühnen in den letzten Jahren eher rar machte, was hinter dem Konzept der recht ungewöhnlichen Mischung aus Franko-Pop, Folk und irischen Balladen steht.

Solo-Konzert mit Chansons, irischem Folk und Pop

Musical-World: Was steckt hinter dem Konzept Deines Solo-Abends?

Andreas Bieber: No Frontiers vereint einige Stile: Chansons, deutsche, französische, englische und irische Lieder mit Folk und etwas Pop. Das Ganze ist schwer auf einen Nenner zu bringen. Das Interessante für mich war, dass ich eine Menge ausprobieren konnte. Was macht Andreas Bieber solo, was stellt er dar, was will er aussagen? Was passiert, wenn ich nicht in vorgeschriebenen Rollen agiere? Andreas Luketa hat mir diese Mischung präsentiert und hatte da ein sehr gutes Gespür. Das Programm ist sehr vielseitig, doch es gibt einen gemeinsamen Nenner, dass immer eine interessante Geschichte erzählt wird. Das sind nicht einfach Grooves oder Beats, die aneinander gereiht sind, wie es heute üblich ist, sondern jeder Song erzählt eine spannende Geschichte. Es ist eher etwas zum Zuhören. Nicht unbedingt alles Herz-Schmerz und heile Welt, sondern auch traurige, emotionale Geschichten mit Musik, die mir aus der Seele sprechen. Das ist die Gemeinsamkeit, die ich gerne übermitteln möchte.

Produktionstagebuch auf der Homepage von Andreas Bieber

Musical-World: Ist das ein neuer Andreas Bieber?

Andreas Bieber: Also ich kenne diesen Andreas Bieber schon länger, aber für das Publikum ist das sicherlich einmal wieder ein neuer Bieber. Auf meiner Homepage habe ich online ein Produktionstagebuch geschrieben, bei dem ich immer darauf hingewiesen habe, dass dieses Projekt nicht nur Party ist. Viele Leute kennen den fröhlichen Party-Bieber und das bin ich auch und will es auch bleiben, aber es gibt auch diese andere Seite. Das Solokonzert ist kein Rock N´ Roll Event, sondern ist ruhiger angelegt. Dabei ist der Abend gar nicht so intim gehalten, ich habe sieben Leute auf der Bühne, die mich begleiten. Es gibt ein Akkordeon, eine Geige, Gitarre, ein Schlagzeug-Pad und eine irische Tin-Whistle, die für die Folk-Elemente wichtig sind und den speziellen Sound liefern.

Songs erzählen Geschichten aus seiner Biographie

Musical-World: Wie bist Du auf das Thema Irland gekommen?

Andreas Bieber: Zu Irland und Folk hatte ich immer schon eine gewisse Affinität und ich höre das auch privat sehr gerne. Auf meiner letzen CD mit Paul Kribbe gab es schon den Musical-Song »Cindy«, der zwar französisch, aber sehr folkloristisch war und schon irgendwie irisch klang. Dieser Song hat mir persönlich, aber auch dem Publikum sehr gefallen. Andreas Luketa wusste von meiner Leidenschaft für Folk, verknüpfte das mit dem Erfolg des Liedes und legte mir deshalb ein Programm vor, dass auf dieser Art von Musik basierte – nicht alles irisch und französisch, aber es sind einige Sachen von Jimmy MacCarthy dabei, einem irischen Songwriter, den ich vorher gar nicht kannte. Es gibt etwas von Charles Aznavour, was sehr französisch ist, das ich aber auf Deutsch singe. Dann gibt es etwas auf Französisch und auch einige Deutsch-Chansons. Es werden Geschichten erzählt, die auch etwas mit meiner eigenen Biographie zu tun haben oder logisch in der Abfolge sind. Einige Songs aus Musicals haben sich auch hereingeschlichen, die meinen Beruf perfekt beschreiben und das sind »Electricity« aus Elton Johns Billy Elliot sowie »Musik« aus Mozart!.

Produktion der CD zum Konzert No Frontiers

Musical-World: Leider ist die CD nicht zum Konzert fertig geworden. Woran lag das?

Andreas Bieber: Es wäre nicht gut gewesen, die CD herauszubringen, so wie sie jetzt noch klingt. Die Produzenten wollten zunächst einen Sound, mit dem weder Andreas Luketa noch ich einverstanden waren. Da wurde zunächst etwas mit einem Schlagzeug gebastelt, was uns völlig gegen den Strich ging. Ein neuer Produzent hat dann vier Songs neu gemischt, mit denen wir sofort einverstanden waren, bei weiteren vier Liedern fehlte aber noch das gewisse Etwas, das wir uns einfach anders vorgestellt hatten. Die Zeit bis zum Konzert war einfach zu knapp. Wenn man versucht, 2-3 Songs am Tag perfekt abzumischen, hört man einfach auch nicht mehr die feinen Nuancen. Es war O.K., aber noch nicht perfekt. Eine CD hat man nun mal für einen längeren Zeitpunkt im Regal stehen, da möchte ich schon etwas Gutes abliefern, eben weil man sich das häufiger anhört. Wir haben uns dann erst einmal auf das Live-Konzert konzentriert und liefern nun eine bessere CD nach. Das ist mir lieber, auch wenn wir dadurch einige CDs weniger verkaufen. Ich bin schon sehr selbstkritisch, wenn es um Themen und Geschichten geht, mit denen ich mich auch privat identifizieren kann. Auch wenn ich mit dem Album nicht meine Lebensgeschichte erzähle, ist es trotzdem etwas Privates und Intimes, weil es etwas ist, was ich selber mitentwickelt habe. Es ist nicht nur der Andreas Bieber in einer neuen Rolle. Wenn mir etwas wichtig ist, soll es auch so klingen.

Musical-World: Ich dachte immer, bei einer CD-Produktion steht zunächst das instrumentale Playback zu dem der Künstler dann das Album einsingt und nicht umgekehrt…

Andreas Bieber: Einige Songs, die ich präsentiere, leben davon, dass sie einen individuellen Tempowechsel haben, der die Geschichte besonders gut rüberbringt. Da kann man nicht einfach ein Computerplayback starten und mit einem Rhythmus ist alles fertig. Wenn ich diese Lieder mechanisch singe, habe ich das Thema verfehlt. Ich habe zunächst auf ein grobes Layout gesungen und dabei haben wir gemerkt, an welchen Stellen wir auch musikalisch dramatische Akzente setzen müssen. Das wurde echte Stückelarbeit, denn die Intention des Songs ist das Wichtigste. 10 von 14 Songs habe ich mit dem neuen Produzenten dann noch ein zweites Mal komplett neu im Studio eingesungen, eben weil auch einige Tempi geändert wurden, worauf die erste Vocalfassung nicht mehr passte. Die Arrangements sind schon komplett fertig, jetzt geht es nur noch um die Feinarbeit, wann man an welcher Stelle z.B. noch eine Flöte braucht, oder ob diese Flöte irgendwann im Stück einfach nur noch nervt, oder ob an einer anderen Stelle ein Cello eingesetzt werden soll oder besser nicht.

Andreas Bieber über seine Rolle in Liebesgesänge in Wien

Musical-World: Nun zum Darsteller Andreas Bieber. Du hast in Wien das sehr freizügige Stück Liebesgesänge gespielt. Wird es das auch mal auf deutschen Bühnen geben?

Andreas Bieber: Das Stück ist jetzt unter dem Titel »Die toten Körper der Lebenden« verfilmt worden. Für mich war das spannend, weil es eine reine Schauspielsache war, obwohl ich auch etwas gesungen habe, was zunächst gar nicht geplant war. Peter Kern hat das geschrieben und inszeniert. Das war von der Story ziemlich abgedreht, kein absurdes Theater, aber sehr emotional. Es geht darum, den Zuschauer an seine Grenzen zu treiben. Es geht um Mord und Totschlag, Liebe und Hass. Ich wurde am Schluss nicht einfach ermordet, mir wurde das Herz herausgerissen, doch im Augenblick des Todes erlebe ich den höchsten Ausbruch der Ekstase und des Glücks. Der Mord an mir hat rund 15 Minuten gedauert und der Zuschauer sollte sich tatsächlich fragen, ob er sich das noch weiter antun soll. Die Intention dahinter war, dass der Zuschauer sich im Fernsehen oder Kino alle möglichen Grausamkeiten ansieht, doch wenn das im Theater gezeigt wird, regen sich alle darüber auf, weil es an ihre Grenzen geht. Die treuen Musical-Fans aus Deutschland habe ich vor diesem Stück gewarnt, denn das Zielpublikum ist schon ein ganz anderes gewesen. Für mich als Künstler war das aber sehr spannend, mal nicht etwas Ästhetisches zu spielen. Ich musste viele meiner bekannten Schubladen schließen, wo ich genau wusste, wie das geht. Es wurde nichts so gemacht, wie man es gewohnt war. Das Theaterstück hat mich als Künstler weitergebracht und der Film noch mal ein Stück weiter. Der Film wurde bei der Berlinale eingereicht. Aber die Bühnenfassung war intensiver und auch als Darsteller ist man nach rund 75 Minuten emotionalem Marathon total fertig.

Das Stück ist zweigeteilt: Basierend auf dem Stummfilm von Jean Genet »Liebesgesang« aus dem Jahre 1950 spielten wir den ersten Teil auch stumm und die fiktive Fortsetzung von Peter Kern schloss sich daran an. Der erste Teil spielte in einem Gefängnis und handelte von sexueller Befriedigung, körperlicher Misshandlung und Totschlag. Der Zusammenhang von Sexualität und Macht stand hier im Mittelpunkt und die Leute, die diese Macht einsetzten oder sich dieser Macht unterwerfen. Hier wurde bewusst auch Sexualität neu definiert, so dass mein Charakter bemerkt, dass er seinen sexuellen Höhepunkt erst dann genießen kann, wenn ihm dabei Schmerz zugefügt wird, was sich bis in den Mord steigert. Da muss man sich als Schauspieler schon voll reinsteigern und am Ende ist man einfach fertig – selbst als Zuschauer. Es war einmal geplant, das Stück auch in Berlin zu zeigen, doch da unser Altstar schwer krank wurde und operiert werden musste, haben wir schon in Wien Vorstellungen absagen müssen. Wir haben versucht, das Stück mit einer anderen Darstellerin aufzuführen, die auch im Film die Rolle übernommen hat. Das war eine tolle Leistung, da sie das komplette Buch in nur einer Woche gelernt hat. Aber für Berlin war das einfach nichts mehr und wir haben es abgesagt. Jetzt ist die Frage, ob wir alle Darsteller terminlich noch einmal unter einen Hut bekommen. Mit neuen Darstellern müsste man schon 3-4 Wochen proben. Es ist halt kein Stück, wo man einfach nur seinen Text herunterbetet. Und wenn dann nur eine Woche in Berlin gespielt wird, weiß ich nicht, ob sich das finanziell lohnen würde.

Musicalstar Andreas Bieber als Schauspieler

Musical-World: Was steht musikalisch demnächst auf deinem Programm?

Andreas Bieber: Bei mir wird es zwischen Schauspiel, Musik und Soloprojekten auch weiterhin einen bunten Mischmasch geben. Ich habe einen Schauspielabschluss und habe mich, auch wenn ich gesungen habe, immer als Schauspieler gesehen. Ich spiele ja immer eine Rolle. Im Regisseur Thorsten Fischer habe ich jemanden gefunden, der mich als Schauspieler bei Hedwig And The Angry Inch herausgefordert und gequält hat und genau das ist mein Anspruch: Ich möchte nicht einfach nur über die Bühne gehen und Text aufsagen. Bei Hedwig stand ich zwei Stunden allein auf der Bühne und musste mein Innerstes nach Außen kehren – das war die beste Arbeit, die ich bisher gemacht habe. Für Hedwig hatten wir für den Sommer die Kammerspiele in Hamburg eingeplant, doch Regisseur Thorsten Fischer meinte, dass wir das vielleicht auf das nächste Jahr verschieben werden. Thorsten mag die Genre Musical und Show eigentlich nicht, aber er möchte mich als Schauspieler gerne in einem weiteren Stück einsetzen. Ich mache deshalb mit ihm Faust II in Bad Hersfeld als reines Sprechtheater. Außerdem habe ich ein Angebot für Tommy in Graz als böser Cousin Kevin. Den Tommy habe ich ja schon einmal in Dortmund gespielt und Cousin Kevin wäre eine neue Rolle. Bisher war ich ja immer der Gute, deshalb ist die böse Rolle auch mal spannend. Das wirkt auch meinem Klischee als ewiger Sunnyboy entgegen, deshalb habe ich mich bei den Musicals in letzter Zeit auch etwas rar gemacht.

Seine Auswahl zukünftiger Rollen in Schauspiel und Musical

Aber selbst ein Andy Bieber wird  älter und für die Les Miserables Inszenierung in Bad Hersfeld bin ich als Marius mittlerweile einfach zu alt. Mit meinen 40 Jahren will ich mich nicht mehr als jugendlicher Liebhaber besetzen lassen. Als Mann musst du beim Musical genau in die Rolle passen, da heißt es schnell, du bist zu jung, zu alt oder zu niedlich. Du wirst diese Rolle nie bekommen und das macht das Musical auch so glatt. Wenn es beim Schauspiel heißt, du seiest für die Rolle eigentlich zu jung, kann das sehr spannend sein, weil es nicht dem Klischee entspricht. Da kann ich als niedlicher Sunnyboy mal einen Nazi spielen, so dass der Zuschauer erst später merkt, wer das eigentliche Arschloch ist. Beim Schauspiel kann ich mich in verschiedenen Rollen eher austoben als im Musical, wo ich mich als Zuschauer bei den optisch perfekt besetzten Rollen einfach auch mal langweile, weil die Seele einfach nicht stimmt.

Andreas Bieber über die Musicals Wicked und The Producers

Musical-World: Welches Musical würde dich noch reizen?

Andreas Bieber: Wicked finde ich im Original ganz phantastisch, doch in diesem Stück gibt es gar keine Rolle für mich. Ich bin mir leider auch nicht sicher, ob das Stück in Deutschland ein Erfolg werden kann, weil wir hier nicht den Zugang zum Zauberer von Oz haben wie die Amerikaner. Die Rolle der Glinda ist für mich die Interessanteste, doch ich glaube, dass man mit der deutschen Besetzung wirklich Probleme bekommen wird – eine Elphaba wird man sicherlich leichter finden. Gerne würde ich The Producers spielen, aber dem Stück gebe ich in Deutschland gar keine Chance, selbst in Wien hat man sich letztendlich nicht getraut, das Stück auf die Bühne zu bringen. In The Producers müsste man eigentlich das Anti-Musical Publikum locken, die werden aber nicht in ein Musical gehen. Aber dem typischen Musicalpublikum würde solch eine Produktion nicht gefallen, weil sie mit den politisch unkorrekten, aber sehr smarten Anspielungen nicht umgehen wollen.

Ich arbeite vorwiegend in Deutschland, lebe aber, nachdem ich zuerst immer von dort weg wollte, in Wien. Die Liebe zu Wien hat sich erst in den letzten 13 Jahren entwickelt. Ich arbeite lieber in Deutschland, denn abgesehen von den Vereinigten Bühnen Wien, wo alles natürlich sehr geregelt läuft, ist die Wiener Mentalität in kleinen Produktionen schon sehr anstrengend. Durch diese Gemütlichkeit sind schon viele Projekte gestorben, da ist man in Deutschland mehr auf Zack. Aber mein kulturelles und Privatleben lebe ich in Wien. Da bin ich 3x in der Woche im Theater oder Kino, das hatte ich in Deutschland nicht, weil ich hier immer auf dem Land gelebt habe, wo der Weg zum Theater zu weit war. 

Musical-World: Danke für dieses Interview und viel Erfolg weiterhin – ob als Sänger oder Schauspieler!

© Interviews & Fotos by Stephan Drewianka, Musical-World.de; das Interview zum Konzert No Frontiers ist in gekürzter Form ebenfalls in der Zeitschrift Blickpunkt Musical, Ausgabe 03/07, Mai/Juni 2007 erschienen

Lesen Sie mehr über das Konzert No Frontiers von Andreas Bieber!

Alles zum Musical-Darsteller Andreas Bieber bei Sound Of Music!