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Die Absolventen-Präsentation der deutschsprachigen Musical-Hochschulen 2008 in Essen

Licht aus – Spot an!

Bereits zum fünften Mal trafen sich am 18. und 19. Januar 2008 die diesjährigen Absolventen im Fach Musical der Universität der Künste Berlin, der Hochschule für Musik und Theater »Felix Mendelssohn Bartholdy« Leipzig, der Bayerischen Theaterakademie »August Everding« München, der Privatuniversität Konservatorium Wien und der Folkwang Hochschule, die in diesem Jahr in Essen gleichzeitig Ausrichter dieses Events war. Noch vor Abschluss der Diplomprüfungen stellten sich hier die jungen Talente in einer gemeinsamen Präsentation für Intendanten, Regisseure und Künstleragenturen vor. Unterstützt durch die Bundesagentur für Arbeit (ZAV-Künstlervermittlung) und der West LB sollte den angehenden Musical-Darstellerinnen und -Darstellern der Sprung ins Berufsleben auf diese Weise erleichtert werden. Laut der Künstlervermittlung konnten durch diese Präsentationen in der Vergangenheit die Absolventen praktisch zu 100% für ein erstes Engagement an die Theater- und Musical-Bühnen vermittelt werden. Weiterhin fördert die West LB jeweils zwei der besten Schüler jeder Institution mit einer zweiwöchigen Musical-Sommer-Akademie, in der sie ihre Talente mit namhaften Musical-Stars wie Pia Douwes, Choreografen und Regisseuren weiter vertiefen können. Der beste Teilnehmer gewinnt danach ein Stipendium an der »Royal Academy of Music« in London.

Die 34 Absolventen hatten viel zu gewinnen und wollten sich in dem knapp fünfstündigen Programm von ihren besten Seiten zeigen. In ihren Präsentationen legten die fünf Schulen deutlich unterschiedliche Gewichtungen auf die Sparten Schauspiel, Gesang und Tanz und präsentierten jeweils einen kunterbunten, kurzweiligen Showblock auf höchstem Niveau. Vorbei sind die Zeiten von »A Chorus Line«, bei der sich ein einzelner Künstler nur mit Klavierbegleitung in dunkler Kluft in einem einzelnen Scheinwerfer präsentierte! Zwar gab es noch das Klavier am Bühnenrand als einzige musikalische Unterstützung, jedoch zeigten die Darsteller ohne Mikrofon ihr durchdachtes Programm mit wechselnden Kostümen und Requisiten in individuellen Solostücken, in Duetten sowie in schmissigen Ensemblenummern in der »Neuen Aula« der Folkwang Hochschule.

Die Privatuniversität Konservatorium Wien legte hohen Wert auf das Schauspiel, wie schon der Studiengang Musikalisches Unterhaltungstheater vermuten ließ. Die sechs Absolventen stellten ihr Spiel unter das Motto »Der Reigen, oder so…« und spickten Ausschnitte aus ihrem Abschlussprojekt »Der Reigen« von Arthur Schnitzler mit viel Humor mit klassischen Musical-Hits von J.R. Brown (»Parade«, »Song For A New World«) bis Kander & Ebb (»The Act«, »Chicago«). Dabei agierte je ein Paar (Dea Andrea Frohn und Rainer Bräuer, Elisabeth Heller mit Peter Kratochvil sowie Daniela Donja Golpahsin und Richard Schmetterer) schauspielerisch für rund 15 Minuten gemeinsam auf der Bühne, wobei sich aus den Dialogen die wenigen, aber effektvollen Songs entwickelten.

Locker und ungemein frech präsentierten sich Maja Kloss, Selvi Martina Rothe, Oliver Andre Timpe, Jessica Wall und Oliver Wejwar von der Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy aus Leipzig. Nichts war den jungen Helden heilig: so zeigte Oliver Wejwar in einer Fernseh-Quiz-Parodie stolz seine »Beule in der Hose« (aus »Spelling Bee«) und schreckte auch vor dem Streisand-Klassiker »Piece Of Sky« aus »Yentl« nicht zurück, den er übrigens perfekt interpretierte. Weiterhin wurde die Kuh aus »Rent« eindrucksvoll zum Fliegen gebracht und die »Dreamgirls« trafen neben »Aida« noch die »Witches Of Eastwick«. Die Absolventen verstanden es zwischen den einzelnen Darbietungen immer wieder mit kurzen Musical-Schnipseln aus den großen Stage Entertainment-Shows eine humorvolle Brücke zu schlagen, bei der kein Auge trocken blieb, inklusive einem deftigen Seitenhieb auf die anstehenden Casting-Shows á la »Tarzan sucht Jane«.

Die Bayerische Theaterakademie August Everding aus München reiste mit immerhin zehn Kandidaten an angehenden Diplomanden im Studiengang Musical an. Maria Helgath, Florian Claus, Navina Heyne, Markus Alexander Neisser, Milica Jovanovic, Nathanael Benjamin Schaer, Adrienn Krekacs, Felix-Oliver Schepp, Jannike Schubert und Manuel Steinsdörfer stellten in rund 70 Minuten den Gesang und das Verhältnis zwischen Mann und Frau in den spielerischen Mittelpunkt ihres Programms. Dabei durften natürlich weder die »Männer« aus »Die 3 Musketiere« noch die Ballade »I´ll Be There« aus dem brandneuen Boublil-Schönberg Musical »The Pirate Queen« fehlen, die durch eine lehrreiche Abhandlung über den »Eisprung« abgerundet wurde. Ein Highlight war sicherlich das Duett »Lily´s Eyes« aus »The Secret Garden«, das Teilnehmer Markus Alexander Neisser mit deutschem Text versehen hatte. Doch als Putzfrau Navina Heyne mit dem Schrubber eine Parodie zum »Flashdance«-Hit »What A Feeling« inklusive Originalchoreografie für >normal< gewichtige Menschen auf das Parkett legte, fegte es das Publikum vor Begeisterung buchstäblich von den Stühlen.

Dann ging es von Bayern nach Berlin. Die Universität der Künste stellte vorrangig das Musical »Kauf Dir ein Kind« von Thomas Zaufke und Peter Lund in vielen szenischen Bildern praktisch als Best of -Zusammenstellung vor, welches die Absolventen seit dem 31. Januar auch in der Neuköllner Oper aufführen. Jeanette Claßen, Lars Redlich, Juliane Dreyer, Andreas Röder, Camilla Kallfass, Sebastian Smulders, Karolina Anna Kubiak und Francisco del Solar legten weiterhin auch ein besonderes Augenmerk auf den Tanz, zu dem bei »Spybreak« aus dem Film »Matrix« sogar die obligatorische Klavierbegleitung durch ein echtes Show-Dance Playback kurzzeitig ausgetauscht wurde. Daneben präsentierte Lars Redlich sein selbstbewusstes »Ich« aus »Die Schöne und das Biest« in einer erotischen Version ab 18 Jahren und interpretierte Julia Dreyer den Bette Midler Kult-Song »Die Rose« mit umso mehr Gefühl.

Last but not least: die Gastgeber der Folkwang Hochschule in Essen. Zusammen mit dem Preisträger im Bundeswettbewerb Gesang 2005, Krisha Dalke, zeigten Nicole Gütling, Tim Hüning, Anais Lueken, Sabine Ruflair und Markus Schneider quasi mit Heimvorteil starke Einzelleistungen ohne weiteres Drumherum an Kostümen oder Requisiten. Zwischen dem sexy »Masochisten Tango« wurden Beziehungsprobleme aus »I Love You, You´re Perfect, Now Change« mit »Ein Hengst, ein Babe« ausgefochten, die letztendlich in Anais Luekens »Dilemma« mündeten. Trotzdem gab es genug Raum für Klassiker wie »Wenn Ich Dein Spiegel Wär« aus »Elisabeth«, »Not While I´m Around« aus »Sweeney Todd« und selbst »Macavity« aus »Cats« durfte seine Krallen zeigen, bevor sich das gesamte Ensemble mit »You Can´t Stop The Beat« aus »Hairspray« schmissig verabschiedete.

Wer nun vermutet, bei diesem Kampf der fünf besten Musical-Hochschulen im deutschsprachigen Raum ging es unfair zu oder wurde mit Neid auf die Darbietungen der Konkurrenten geblickt, den belehrten die Pausen zwischen den einzelnen Showblöcken eines Besseren. Es wurde aufrichtig gratuliert, herzlich umarmt, angeregt diskutiert, was hätte besser gemacht werden können und gleichzeitig versichert, dass alles bestens gelaufen sei. Also gar keine Konkurrenz zwischen den Absolventen, wo es doch so ganz nebenbei auch um ein traumhaftes Stipendium ging? Rainer Bräuer aus Wien formulierte es so: »Jeder Musical-Darsteller hat seine persönlichen Stärken und Schwächen. Ein Theaterregisseur sucht meist nach einem ganz bestimmten Charakter für eine zu besetzende Rolle. Wir sind alle so verschieden in unseren Talenten, da stehen wir uns gegenseitig eigentlich gar nicht wirklich als Konkurrenten gegenüber.«

Hoffen wir für alle angehenden Musical-Stars, dass sich ihr persönlicher Berufswunsch in vielen spannenden Engagements verwirklicht. Der Nachwuchs hat immenses Potential – freuen wir uns als Zuschauer auf die kommenden Spielzeiten, egal ob in einer Großproduktion oder einem kleinen Stadttheater mit einem oder gleich mehreren dieser Künstler von morgen!

© Stephan Drewianka; Fotos Georg Schreiber; Dieser Artikel wurde ebenfalls in der Zeitschrift Blickpunkt Musical, Ausgabe 02/08, März-April 2008 veröffentlicht

Die Folkwang-Hochschule präsentiert ihre Musical Abschlussprojekte jährlich in Essen. Musical-World berichtete schon ausführlich über

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